Die Fliegen und Karma (von Linda)

Den Stift verstehen - Weisheit & Dialog >>

Der Tag begann wie so ziemlich jeder Tag im Außendienst. Ich fuhr früh morgens auf den Hof des Bio-Betriebes. Ein sichtlich nervöser Betriebsleiter wartet schon auf mich, begrüßt mich mit Handschlag und einem knappen „Moin“ und ich folge ihm in sein Büro. Während ich Akten und Schreibmaterial hervorkrame und meinen Laptop anwerfe, legt der Betriebsleiter, nennen wir ihn Herrn Lüder, eine Fliegenklatsche griffbereit auf seinen Schreibtisch. „Ich hoffe es stört sie nicht wenn ich zwischendurch ein paar Fliegen erledige?“ fragt er mich mehr rhetorisch. „Und wie es mich stört!“ dachte ich und stellte mir vor welch schlechtes Karma er dadurch ansammeln würde, ganz abgesehen von den armen toten Fliegen.

Aber wie sollte ich diesen gestandenen Landwirt nur davon abhalten? „Man kann doch wildfremden Leuten nicht mit irgendwelchen Karma-Weisheiten kommen ohne gleich seine gesamte Seriosität in Frage zu stellen. Außerdem bin ich da um seinen Betrieb zu prüfen, zwei Tage lang! Da kann ich es mir doch nicht schon am ersten Tag verscherzen!“ flüsterte mein Geist aufgeregt. Doch meine Zunge war schneller und schon hörte ich mich in scherzhaften Ton ihm antworten: „Ich habe gehört das macht schlechtes Karma! Stille."

Dann: „Meinen Sie das ernst?“ „Nun ja, Karma bedeutet ja lediglich Ursache und Wirkung, und so wie ihr Weizen aus einem Korn auf ihrem Feld zu einer hohen Pflanze heranwächst, so wächst auch der Same einer Tat langsam aber sicher zu einem Ergebnis heran. Und dabei gilt: Je bewusster die Handlung, desto stärker das Ergebnis. Das bewusste Töten einer Fliege ist unter bestimmten Umständen nach einem Monat schon wie ein ausgewachsener Mord zu werten! Und es wäre möglich, dass körperliche Schmerzen, die sie in Zukunft plagen werden, darauf zurückzuführen sind.“ sagte ich und machte mich darauf gefasst gleich wieder aus seinem Büro zu fliegen.

Doch in den Augen von Herrn Lüder sah ich, wie er nachdenklich wurde und er fing an, mir von einem Urlaub zu erzählen. Ein Freund und er radelten einst durch Brandenburg und sahen auf dem Weg ein altes Gebäude. Es stellte sich als buddhistisches Zentrum heraus und der Freund radelte neugierig auf das Gelände. Herrn Lüder war das unangenehm, schließlich nervte es ihn selbst, wenn ständig ungebeten irgendwelche Touris auf seinem Hofgelände herumspazierten. Gerade als er seine Bedenken äußern wollte, kam der Leiter des Zentrums aus der Türe und lud sie herzlich ein zu bleiben. „Und damals erzählten die mir genau das, was sie mir gerade angedeutet haben!“, fasste Herr Lüder zusammen.

„Ich habe eine Lebendfalle für Fliegen gekauft, die unsere Backstube fliegenfrei halten soll. Man leert die Fliegen dann einfach draußen auf dem Misthaufen wieder aus! Doch im Sommer wird es durch die Tiere auf dem Hof einfach zu viel mit den Fliegen, und dann nehm ich die Klatsche...“ erklärte Herr Lüder still. Wir ließen das Gesprochene einen Moment auf uns wirken, bevor wir uns darauf einigten, dass wir nun doch mit der Arbeit beginnen sollten. So verging der ganze Tag und am Abend verabschiedeten wir uns herzlich voneinander.

Am nächsten Morgen wartet Herr Lüder schon im Büro auf mich und kaum dass ich sitze, beginnt er mir aufgeregt zu erzählen: „Heute morgen habe ich die Fliegen rausgebracht, als Herr Schmidt, ebenfalls Bio-Bauer aus der Region, mit seiner Lieferung halber Hähnchen auf den Hof fährt. Er fragt mich, was ich da mache und ich erzähle ihm, dass ich beschlossen habe, keine Fliegen mehr zu töten, um in Zukunft weniger Schmerzen im Körper zu haben.“ Herr Schmidt hebt daraufhin skeptisch die Augenbrauen und entgegnet: „Was soll ich denn da sagen? Ich schlachte jede Woche 100 Hähnchen!“ „Und“, entgegnete ich, „Hast du Rückenschmerzen?“ „Ja klar.“, aber was hat das damit zu tun? fragt Schmidt mich zurück..

Herr Schmidt konnte keinen Zusammenhang erkennen, was Herrn Lüder sichtlich enttäuscht hatte. Doch ich tröstete ihn: „Den ersten Samen haben Sie hiermit bei ihm gepflanzt“, so wie einst der Lehrer in Brandenburg bei ihnen!

 

Bildnachweis:
Alle Bilder von 
http://www.bilderkostenlos.org 
(Kuh-Rinder-Fliegen, Beine-haarige-Flugobjekte, Wiese-Garten-Bauernhof)

 

Erstellt am: 20.07.2013, Zuletzt geändert am: 10.04.2015

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Kommentare

von Gast am 28.07.2013 um 11:26
coole Geschichte,..... spread the Dharma....;-)....ist wie Domino spielen....;-)....
herzlichst, Ulla
Lebendfalle für Fliegen von Gast am 26.10.2014 um 17:58
Also ich hab genau das selbe Dilemma. Wir wohnen neben einem Pferdestall... Wo bekomme ich so eine Lebendfalle für Fliegen?
Tipps bitte an ja@silvia-wessely.com
Danke Silvia

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